Nahrungsergänzungsmittel für die Stillzeit?


Nahrungsergänzungsmittel für die Stillzeit?

„Nahrungsergänzungsmittel für stillende Mütter sind oft überdosiert und meistens unnötig“.
Zu dieser Beurteilung kommt die Verbraucherzentrale Hamburg, die anlässlich der diesjährigen Weltstillwoche (01. – 07.08.) eine Stichprobe von 14 verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln mit Kombinationen mehrerer Nährstoffe für stillende Mütter überprüft hat.

 

 

Produktcheck zu Nahrungsergänzungsmitteln für die Stillzeit
(mit Produktbeschreibung, Inhaltsstoffen und Bewertung, Oktober 2017)

Junge Eltern geben gerne viel Geld aus, damit ihr Nachwuchs gesund bleibt. Das wissen auch die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln: „Zwischen fünf Cent und weit über einem Euro pro Tag ist alles möglich. Bei einer Stillzeit von sechs Monaten können demnach Kosten von bis zu 340 Euro beim teuersten und nur neun Euro beim günstigsten Produkt anfallen“, so die Verbraucherzentrale. Kunden seien aber nicht nur mit der preislichen Vielfalt überfordert, sie wissen leider auch nicht, welche Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sind und der erhöhte Bedarf an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen auch durch eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung gedeckt werden kann.

Häufig überdosiert

Die große Problematik der Nahrungsergänzungsmittel in der Stillzeit liegt in einer möglichen Überdosierung bestimmter Stoffe. Die 14 überprüften Kombimittel richten sich meist sowohl an Schwangere als auch an Stillende – und das, obwohl in diesen Lebensphasen ein ganz unterschiedlicher Nährstoffbedarf besteht. Einige Produkte fallen durch Inhaltsstoffe auf, die weit über den Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung liegen: So überschreiten neun der untersuchten Supplemente die Höchstmengenempfehlungen für Selen, Zink oder Folsäure. Doch selbst in Apotheken werde nur in Ausnahmefällen auf mögliche Gefahren hingewiesen, betont die Verbraucherzentrale. Zudem ergab die Untersuchung jetzt, dass potenziell riskante Produkte häufiger auf dem Markt zu finden sind als bisher vermutet.

Substitution: Wenn dann gezielt

In einem Vortrag fasste Prof. Dr. Hildegard Przyrembel (1) vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und ehemalige Geschäftsführerin der Nationalen Stillkommission wichtige Empfehlungen für Stillende zusammen:

  • Der Vitamin-A-Verbrauch sollte in diesem Zeitraum fast verdoppelt werden.
  • Die Zufuhr von Vitamin B1, B2, B6, B12, E, Niacin, Jod, Magnesium, sollte 30 bis 50 Prozent höher sein als bei Nicht-Stillenden
  • Die Zink-Zufuhr sollte um mehr als 50 Prozent vergrößert werden.
  • Der Eisenkonsum sollte bei stillenden und nicht stillenden jungen Müttern um 30 Prozent angehoben werden.
  • Einer stillenden Mutter wird eine tägliche DHA-Zufuhr von 250 mg empfohlen.

Welche Mengen an Supplementen Frauen zusätzlich einnehmen sollten, hängt vom individuellen Speiseplan ab. Przyrembel warnt vor „hoch dosierten Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen mit Überschreitung des sicheren Dosierbereichs“.

Unübersichtliche Informationen

Die Vielfalt an Supplementen erschwert Frauen den Überblick. Orientierung zu Inhaltsstoffen und Nutzen können lediglich die Informationen auf Verpackungen und Internetseiten geben. Aber hier verunsichern die Hersteller eher mit blumigen Formulierungen ohne Mehrwert oder widersprüchlichen Angaben zum Nutzen über die Ernährung hinaus.  Formulierungen wie „Babywunsch. Babybauch. Babyglück“ oder „Die enthaltenen Nährstoffe decken den erhöhten Bedarf bei Kinderwunsch, in der Schwangerschaft und Stillzeit“ machen das deutlich.

  1. Hildegard Przyrembel: Nahrungsergänzungsmittel in Schwangerschaft und Stillzeit, BfR 10.10.2012

 

Fazit der Verbraucherzentrale:
Nahrungsergänzungsmittel in der Stillzeit liefern wenig Mehrwert und bewirken im schlimmsten Fall das Gegenteil von dem, was Frauen in dieser Phase wünschen: sich und ihrem Kind etwas Gutes zu tun. Dennoch landen Nahrungsergänzungen in den Einkaufskörben vieler Verbraucherinnen und Verbraucher. Das mangelnde Wissen darüber, was eine ausgewogene Ernährung leisten kann und die ausgefeilten Kommunikationsmaßnahmen der Unternehmen werden wohl dafür sorgen, dass die Supplemente auch weiterhin in den Regalen von Apotheken, Drogerien und Supermärkten stehen.

Quelle: VZHH